Gewisse Dinge mache ich gerne Handgelenk mal Pi. Ich lese nur selten eine Gebrauchsanweisung wirklich gründlich durch, sondern ich probiere einfach mal, wie weit ich mit gesundem Menschenverstand komme. Genau so halte ich es bei Rezepten. Deshalb werde ich wohl nie ein Meisterkoch und schon gar kein Meisterbäcker. Zu gerne weiche ich von vorgegebenen Zutaten und deren Mengen ab. So richtig fies ist es noch nie herausgekommen. Aber wer weiss, wie gut das Zeug, das ich so über's Jahr verteilt koche und backe werden könne, wenn ich es EXAKT nach Vorgabe zubereiten würde. Wir werden es nie erfahren.
*Pic: Unknown User (Someecards)* |
Nun ist es ja so, dass ich leidenschaftlich gerne Kuchen kaufe. Beim Bäcker. Für Geburtstage, Taufen und andere Jubiläen. Da weiss man, was man kriegt. Die Leute, die diesen Service anbieten, halten sich bestimmt haarklein an's Rezept und sie kriegen auch die Rahmdeko so fluffig hin, dass sie wunderbar aussieht und auch noch nach X Stunden genau so adrett daherkommt, als habe man den Rahm erst gerade vor einer Minute draufgemacht. Bei mir sieht das leider nie so aus. Nach 10 Minuten verabschiedet sich der steif geschlagene und richtig schön drapierte Rahm und verwandelt sich in eine von hässlichen kleinen Luftblasen durchzogene, matschige Pampe. Das ist der Moment, wo ich am liebsten den Kofflöffel und die Schürze hinschmeissen würde. Aber man bringt das nichtvollkommene Werk dann noch zu Ende, widerwillig aber bestimmt. Und man schwört hoch und heilig, nie wieder etwas zu backen, was einer Torte ähnlich ist. Dann aber kommt eines abends Nummer 1 daher, mit ihren grossen Kulleraugen "Mami, eine Schneewittchentorte will ich! Mit ganz viel Smarties. Backst du mir so eine? Bittöööööh!" Und man denkt sich: "Ach - eine Torte schaffst du noch. Nur noch diese eine!"
Es ist also Geburtstag und noch viel zu früh am morgen, und ich bewaffne mich mit einer Schürze, diversen Backzutaten und meinem ipad - falls man doch mal noch etwas nachgooglen müsste - und schicke Significant Other und Nummer 1 und Nummer 2 weit weg, zum Spielen. Alle Zutaten vorhanden? Check. Platz gemacht im Kühlschrank? Check? Noch einen Beruhigungskaffee - Check. Als erstes fällt mein Blick auf die Packung Gelatine. In dicken Lettern prangt auf der oberen Kante der kleinen Kartonschachtel das Datum 7.2013. Kein gutes Omen. Ich beschliesse, die Gelatine einfach wegzulassen, weil es letztes Mal auch gut ohne ging. Natürlich wäre das jetzt genau nach Rezept so gewesen und selbstverständlich wäre die Füllung so straff dahergekommen, wie der Body von Gisele Bündchen. Aber heute nehmen wir, was wir kriegen können. Als erstes alle Zutaten für die Quark-Vanille-Himbeerfüllung zusammenrühren - Check. Etwas Zucker, etwas Vanillezucker, ja das wird was. Dann kommt die erste Schicht auf den Tortenboden. Und der 2. Tortenboden obendrauf. Und die nächste Füllungs-Schicht. Um die Ecke kommt Nummer 1 gerannt: "Wooooooah - so en grosse Chueche!" Daneben pfeift Significant Other als Zeichen seiner Anerkennung dem Kuchen so hinterher, wie man einer hübschen Dame hinterherpfeift. Ich schicke beide wieder spielen, ich brauche Back-Ruhe. Im Radio laufen die Nachrichten und irgend etwas zu Olympia. Ich fühle mich gerade nicht besonders siegessicher.
*So very homemade, you can almost taste it.* |
Als der Deckel der Torte auf den Schichten platznimmt, geht der Kuchen in den Kühlschrank, erkalten und sich etwas ausruhen. Ich würde mich auch gerne ausruhen. Aber die Dekoration wartet. Nummer 1 hatte auf das Thema "Schneewittchen" bestanden und ich habe keinen Plan, wie ich das umsetzen soll. Immerhin war mir das Glück insofern hold, als dass ich im Supermarkt noch eine schöne Plastik-Disney-Prinzessin gefunden hatte. Nummer 1 und den Gästen am Geburtstagsfest blieb dadurch ein tragisch-komisches Ratespiel erspart à la "Was isch das eigentlich für en Chlumpe uf dem Chueche? Isch das en Rock? Söll das en Mensch darstelle?" Prinzesssin: Check. Ich nehme mir das weisse Marzipan vor und knete daraus einen grossen Ball. Es klebt. Folglich wird das Ausrollen zur Qual. Nach mehreren Minuten kriege ich eine passende Fläche hin. Ich lächle. Aber das hätte ich wohl besser gelassen. Denn im Anschluss weigert sich die Masse, sich von der Unterlage zu lösen. Ich habe das unkooperativste Marzipan der Welt gekauft! Warum erlöst mich keiner? Mit viel Feingefühl und einem feinen, breiten Messer löse ich den Marzipankreis von der Unterlage und platziere ihn auf den Kuchen. Die Seitenränder des Kuchens bedeckt die Fläche nicht - ich denke mir eine ad hoc Lösung aus und beginne damit, an die 20 verschiedenfarbige Marzipanvierecke auszurollen, auszuschneiden. Die kommen an die Ränder. Wie genau bin ich darauf gekommen, mit Marzipan zu arbeiten sei "easy"? In Gedanken setze ich Marzipan auf meine schwarze Liste jener Zutaten, die mir nicht mehr in die Küche kommen sollen. Hässlicher Kuchenrand versteckt: Check. Ich stelle fest: Ich dekoriere nicht, ichkaschiereden Kuchen. Prinzessin auf den Kuchen: Check. Und dann die Smarties. Das ist einfach, denke ich, und setze den Zuckerfarbendekostift an, um den Namen von Nummer 1 zu schreiben. Obwohl es Mini-Smarties sind, ist das Formen der Buchstaben gar nicht so einfach, vor allem wenn man dauernd mit seinen tollpatschigen Fingern in die Zuckerfarbe gerät. Ich fluche leise und nehme eine Handvoll Smarties - zur Beruhigung. Ich beruhige mich bis zur Fertigstellung des Kuchens noch einige Male mehr. Zuckerschock um 9:30 morgens - Check.
*Next year: Grosis Schoggikuchen vom Grossverteiler. Mit Schoggiguss und 2kg Smarties.* |
Aber dann ist es geschafft. Der Kuchen steht fertig im Kühlschrank und er ist heil geblieben und hübsch anzusehen. Was Geburtstagskuchen anbelangt, schätzen die Erwachsenen ja den Geschmack, Kinder eher die Deko. It's the outside that counts today. Jetzt hab ich einige Monate Backpause. Gottseidank formuliert Nummer 2 noch keine Dekowünsche für ihren Geburtstagskuchen dieses Jahr.
Und wenn doch, überbringe ich diese mit grösster Freude dem Bäcker meines Vertrauens.