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Channel: Und schon wieder schreibt sie.
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Lady in Red. Voiceless in Switzerland.

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Am Freitag muss ich immer früh raus, wenn ich unterrichte. Meist spreche ich da zwischen dem Weckerklingeln um 5:30 (ausser einem unzufriedenen Raunen bzw. leisem Fluchen vielleicht) bis zum Moment, wo ich die nette Kiosk Frau um 6:30 um meine erste Ladung Koffein des Tages bitte, mit niemandem ein Wort. So kam es denn auch, dass ich letzten Freitag bis zu diesem Zeitpunkt nicht merkte, dass ich meine Stimme verloren hatte. Ja gut, es gab Anzeichen. Das Kratzen im Hals am Abend, der Husten. Aber ich führe ja keine Selbstgespräche während dem Duschen und Schminken im Bad. Wehe dem, der die Lütten zu früh weckt an einem Freitag! Bei uns gilt da die Devise „Was du weckst, das lullst du auch wieder in den Schlaf!“ Und so schleiche wahlweise ich oder Significant Other ganz leise morgens aus dem Haus, damit die noch Dableibenden noch eine Ecke weiterknacken können.

Ich kramte nach der Postautofahrt zum Bahnhof also nichtsahnend meinen Geldschein und mein Kaffee-Abo Kärtchen aus der Jackentasche, stellte Blickkontakt mit der freundlichen Kiosk Dame her und dann – geschah gar nichts. Ich hörte mich im Geiste sagen „En Kafi mit Milch und Süessstoff bitte“ aber heraus kam etwas, das mit Begleitung eines superheiseren Röchelns und stimmlichen Ausschlägen ins Hohe C klang wie „Enkafiiiimi---------Smirnoff’itte“. Da hob sie sich wieder, die berühmte Augenbraue auf Seiten der Kioskverkäuferin. Es ist mir ja schon einmal passiert, dass ich statt einem Kaffee Alkohol serviert bekam. Damals war ich 16 und mit meiner besten Freundin nach der Schule um 12:00 in der Stadt verabredet. Im damals ach so trendigen Kaffee wurde zur Mittagszeit schon so gesoundet, dass man sein eigenes Wort nicht verstand. Der Kellner nahm unsere Bestellung auf (geschrien: „Zwei Cappucciiiino!“) und 3min später hatten wir zwei Gläser mit Cynar vor uns stehen und dachten uns: OK! Ich muss damals deutlich älter ausgesehen haben als heute, denn keiner fragte nach einem Ausweis. Es wurde der lustigste Lunch der ganzen Schulzeit. Und gleichzeitig das letzte Mal, dass ich Cynar getrunken habe. Definitiv nicht meins.


*homemade*


Aber zurück zur Kioskverkäuferin meines Vertrauens. Denn eine Koffeinsucht hat auch ihr Gutes. Sie kannte mich natürlich schon (Wiederholungstäter kaufen mehrmals pro Woche ein Brötchen und einen Latte Macchiato) und senkte rasch ihre hochgezogene Augenbraue und ein mitleidiges „sie töned aber nöd eso guet…“ ertönte, als sie an der Kaffeemaschine herumhebelte. Der Kaffee half dann ein bisschen, die Stimme war zu 10%  wiederhergestellt, und meine Studenten profitierten dann nach einem weiteren Tee (!) von einer 15% Stimme, die zwar klang wie die flüsternde, deutsche Synchronsprecher-Stimme von Jack Bauer (http://www.youtube.com/watch?v=ij8RDCh7HD0) aber immerhin vorhanden war. 

Die Dame in der Apotheke, die ich vor dem morgendlichen Unterricht noch aufsuchte, hatte einen derart mitleidschwangeren Blick, dass ich dachte, sie gibt mir die Antigrippe-Mittelchen für lau. „Händ sie denn au Halsweh, oder Fieber?“ – „Ja Fieber weiss ich jetzt nöd, will ich han mich scho so zue-dopt. Ich mues jetzt dur de Tag dure. Aber Halsweh nöd – ich han nur kei Stimm.“ – „Ja schaffed Sie denn imene Job, wo sie vill müend rede?“ – „Ähm…ja das chöntmer so säge.“ Sie legte mir 2 Packungen Pastillen zum Sonderpreis auf die Theke. Mit dem Tipp „Sie chöntet susch au während em schaffe 2 Kafilöffel Salz inere Tasse Wasser uflöse und mit dem Salzwasser e chli gurgle“ wandte sie sich abermals an mich. Wie Dr. Dorian in der TV-Serie „Scrubs“ stellte ich mir just in dieser Sekunde bildlich vor, wie ich während meiner Vorlesung vor den Studierenden vorn an der Tafel munter mit Salzwasser herumgurgle und antwortete schliesslich „vilicht machi das gschider am abig dihei.“

*homemade*


Während sie mir relativ ungefragt die Verwendung des Antigrippe-Mittels zu erklären begann, öffnete ich halt schon die eine Bonbon Dose und nahm eine kräftige Handvoll Pastillen in den Mund. Die Apothekerin brach ihren Satz ab „…und nur 3 Mal am Tag, gelled Sie…“ und fing nach einer kurzen Pause und mit leicht entsetztem Blick auf mich einen neuen an: „Also Sie wüssed scho, dass die Paschtillä  - wenn mer mee als öbbe 12 pro Tag nimmt – chönd e abführendi Wirkig entfalte…?“Zu diesem Zeitpunkt fuhr ich bereits langsam addierend mit der Zungenspitze über die gefühlt 28 Pastillen in meiner Backe, lächelte schief, nickte und verliess die Apotheke relativ zügig. Das konnte ja heiter werden. 12 Stück. Und es war erst 7:35.

Das Tolle an einer Familie ist ja, dass man Freud und Leid miteinander teilen kann. Und sämtliche Erkältungsviren und Magendarmbazillen die es gibt auf der Welt. Frauen, Männer und Kinder sind ja ganz unterschiedlich krank. Fangen wir bei den Frauen an.

FRAUEN sind schon auch mal krank. Aber anmerken darf man es ihnen im Prinzip nicht. Krank sollte man weder im Job sein, noch als Mama. Wobei man im Job noch fehlen kann, zu Hause aber immer präsent ist. Und da heisst es eben manchmal, dass die einzige Erholungspause, die man kriegt, diejenige ist, wenn man a.) im Wartezimmer des Arztes hockt, b.) sich mit einer MDG im heimischen Klo verbarrikadiert hat oder c.) exakt 1min nachdem die Lütten am Abend in ihre Betten gefallen sind es ihnen gleich tut und fiebrig auf dem Sofa einpennt, noch bevor der Daumen den Power-Knopf auf der Fernbedienung erreicht hat. Und selbstverständlich  – in der Schweiz – sind Frauen 14 Wochen lang „krankgeschrieben“ – wenn sie „MutterschaftsURLAUB“ haben. How could I forget about that.

KINDER hingegen  sind prinzipiell immer mal wieder krank. 12 Infekte im ersten Lebensjahr sind ja anscheinend die Regel und nicht die Ausnahme.  Unser Kinderarzt – der diesen Blog bestimmt nicht liest, weshalb ich ihn hier sicher mehrfach zitieren werde – pflegt zu sagen: „Wüssed Sie, Chind müend krank werde demits gsund werdet“. Wenn sie krank sind, sind sie anhänglicher und brauchen noch mehr Liebe. Und ein Mickey Mouse Comic, nachdem sie wacker den ekligen Hustensaft zu sich genommen haben. Im Wartezimmer der Arztes nehmen sie alle Spielzeuge auseinander, bis sie dran sind. Als Kind krank zu sein, ist vollkommen legitim. Die dürfen das. Nach einigen Tagen sind sie ohnehin meist wieder fit. Und oft toben sie sogar mit 39 Grad Fieber noch herum wie Teletubbies auf Droge.

MÄNNER sind eine interessante Spezies, wenn sie krank sind. Einerseits wollen sie sein wie Chuck Norris. Und Chuck Norris wird nicht von Viren befallen. Er befällt Viren. Wenn sie dann aber trotzdem einmal einen Infekt erwischen (und das Thermometer auf 37.5 oder mehr ansteigt) und sich eingestehen, dass es vielleicht schlauer wäre, diesen auszukurieren statt die halbe Abteilung im Büro damit anzustecken, dann liegen sie wie die toten Fliegen auf dem heimischen Sofa herum, schauen Actionfilme und jammern in einem herzzerreissenden Ton: „Ich bin chraaaaank!“. Zum Arzt würden sie aber nur gehen, wenn wirklich die Gefahr droht, ein wirklich essentieller Körperteil falle bald ab. Vom Tee, den man ihnen mit viel Liebe kocht und im Stundentakt neben das Sofa stellt, trinken sie jeweils einen Schluck und wenn man gerade nicht da ist, laufen sie zum Lavabo in der Küche und schütten den Rest aus. Dafür haben sie genug Zeit, um sämtliche Süssigkeitenverstecke in der Küche zu finden und zu plündern. Wenn’s nichts Arges ist, sind sie deshalb nach 3 Tagen wieder fit.

Ach was dachte ich mich an diesem Freitagmorgen auf mein Schlafsofa und wünschte, ich wäre ein Kerl oder ein Kind. Nur einen Tag lang rumlümmeln, rumjammern und betüddelt werden. Nur einen!  Aber es half ja nichts. Und mit den Antigrippe Mittelchen und einer Unmenge Pastillen ging auch dieser Tag vorbei, wenn auch nicht wirklich stimmgewaltig. Ich glaube ja, dass mich die Dame in der Apotheke angeschwindelt hat, denn nach sicher 30 Pastillen bis Ende des Tages I was still standing. Oder aber ich verfügte an diesem Tag nicht nur über Jack Bauers Stimme sondern auch über seinen Pferdemagen. Um 18:00 war meine Stimme bei -5% angekommen, aber es war unterdessen egal, denn es war Zeit, den Zug nach Hause zu erwischen. Offiziell musste ich mit niemandem mehr sprechen. 

Einen riesigen Vorteil hat es ja, wenn man mit roter, triefender Nase durch den Pendlerverkehr nach Hause muss. Es kommt einem selbst im vollgestopftesten Zug niemand (!) zu nahe. Beinahe bieten sie einem einen Sitzplatz an, wenn man nur nicht in der Nähe die Nase hochzieht oder schlimmer noch, so tut als würde man gleich niesen. So war es auch möglich, die freitagabendliche Gratiszeitung inklusive Tageshoroskop (super, Tageshoroskop um 18:20) zu lesen. 

Blick am Abend weiss halt, was Frauen entspannt.

Backen Sie doch einen Grittibänzen! Hell yeah – der Tipp war grad der Zweitbeste des Tages, nach dem Salzwassergurgeln während der Arbeit. Ich hab das dann gelassen. Das mit der Farbe hingegen habe ich nasentechnisch bestimmt recht gut hingekriegt. Inwiefern das nach innen abgefärbt hat, kann ich nicht beurteilen. 

Aber an Glanz und Glamour arbeite ich, sobald ich nicht mehr klinge wie Kiefer Sutherland. Versprochen.


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