Wir haben jetzt ein Kindergartenkind. Das klingt ja erst einmal wenig spektakulär, schliesslich waren wir alle, die wir erwachsen sind (oder es zu sein glauben) ja auch schon im Kindergarten. Aber für den- oder diejenige, die zum ersten Mal mit dem Chindsgibändel (für alle Nichtschweizer: das ist dieses neonfarbene Ding, welches die Vorschüler um den Hals tragen) und Täschli ausgestattet das Haus verlässt und sich mit x fremden Kindern in das Kindergartengebäude begibt, ist das schon eine ziemlich grosse Sache.
Als Eltern begleitet man sein Kind ja dann eine Weile bei seinem Weg, vor allem wenn dieser lang ist und das Kind Hauptstrassen überqueren muss und dergleichen. Natürlich gibt es auch mutigere Kinder und mutigere Eltern. Da läuft das eine Kind dann schon früher alleine los, ein anderes möchte länger begleitet werden und wieder andere werden wegen dem Wunsch der Eltern länger begleitet. Wenn man dann als Erwachsener in einem Kindergarten steht, geschieht etwas Seltsames. Man steht in den Räumlichkeiten, es riecht noch immer so wie es früher im eigenen Kindergarten roch, man sieht diese winzig kleinen Stühle, auf denen die Kinder sitzen, und die vielen vielen Jahre, die vergangen sind, fühlen sich plötzlich gar nicht mehr nach viel an. Erinnerungen kommen hoch.
Beobachtet man Kindergartenkinder dabei, wie sie untereinander Kontakte knüpfen und miteinander spielen und streiten, erkennt man rasch, dass sich die Muster über die Jahre wohl kaum verändern. Es werden immer Kinder ausgegrenzt, bevorzugt, gemocht. Einige Kinder sind sofort beliebt bei allen, andere sind eher schüchtern und finden ihren Platz ganz gemächlich in einer Gemeinschaft. Es gibt die Lauten. Es gibt die Leisen. Es gibt die Auffälligen und die, die beinahe in der Masse untergehen. Es gibt die Anführer und die, die ihnen folgen. Also eigentlich genau das, was man im Arbeitsleben und auch sonst im Alltag immer wieder beobachten darf. Sind wir eigentlich "wirklich" erwachsen, nur weil eine bestimmte Zahl in unserem Pass steht, oder sind wir im Kern eigentlich dasselbe Kind, welches wir schon im Kindergartenalter waren? Nur etwas grösser, schwerer und mit mehr Fähigkeiten ausgestattet, die man sich über die Jahre angeeignet hat?
Jeder von uns sass schon in Besprechungen oder Sitzungen. Einige davon sind sehr effizient, andere weniger. Eines haben Sitzungstermine aber alle gemein: Sehr oft lassen sich genau dieselben Diskussionen beobachten, wie im Kindergarten. Es geht sehr oft darum, dass
a.) Jemand etwas haben will, das jemand anders hat
b.) Jemand mit einem guten Vorschlag eine Mehrheit auf seine Seite ziehen möchte
c.) Jemand konstruktiv ein Problem lösen will
d.) Sich jemand stur stellt und einfach nur nach Hause will
Die Rollen sind meist auch klar verteilt, wie auf dem Kindergarten- oder Schulhausplatz: Der Anführer (oder mehrere, das führt dann oft zu den Punkten a. und b.), die Ja-Sager, die allen gefallen wollen, die Gemässigt-Unauffälligen, die Streitschlichter und die Aussenseiter. Ich frage mich oft, ob man den Kindergärtenkindern von heute bereits ansieht, welche Rolle sie dann auch später im Leben bekleiden werden. Aber ich denke irgendwie schon, dass es möglich ist, sich z.B. vom Aussenseiter zu einem Anführer zu wurschteln, handkehrum wird ein Ja-Sager wohl nie jemand werden, der eine Meinung energisch und kompetent zu vertreten weiss.
Wir zeigen dieses Rollenverhalten ja nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch im sozialen Bereich. Wenn es darum geht, Freunde zu finden etwa. Letzthin erzählten mir ein Vater und eine Mutter unabhängig voneinander, wie schwer es ihnen gefallen sei, ihr Kind dabei zu beobachten, Freunde zu finden. Sich bei Reibereien auf dem Hof zu behaupten. Verlässliche Freundschaftsbeziehungen aufzubauen, die wirklich auch halten (und nicht nur darauf aufbauen, dass ein Kind mit der Playstation spielen kommen will, die es zu Hause nicht haben darf). Es gibt jedem Elternherz einen Stich, wenn ein Kind abgewiesen wird, wenn ihm etwas gemeines gesagt wird oder wiederfährt. Auf der anderen Seite freut man sich gewaltig, wenn sich Freundschaften ergeben, die wirklich stabil scheinen.
Man sagt immer, Kinder können so gemein sein. Erwachsene können genau so gemein sein, vielleicht noch viel schlimmer. Aber sie haben gelernt, ihre Aussagen subtiler zu formulieren und schöner zu verpacken - aber weh tun können diese noch genau so. Ich wünschte mir, dass bereits den jungen Kindern bei den ersten sozialen Kontakten - wie im Kindergarten - klar wäre, dass sie es doch eigentlich ziemlich schön miteinander haben könnten. Man muss nicht jeden mögen. Aber das kann man einander auch zivilisiert mitteilen. Hätten Eltern Zauberkräfte, würden sich die meisten wohl wünschen, ihren Kindern blieben soziale Enttäuschungen mit Freunden möglichst erspart. Leider geht das nicht, da müssen sie durch.
Aber wenn wir "Erwachsenen" sie bei diesen Erfahrungen begleiten - und nicht nur physisch auf dem Schulweg - dann werden sie wohl lernen, diese Situationen auch prima selbst zu meistern, und nicht alles so schwer nehmen.
Freunde kommen, Freunde gehen. Aber manchmal bleiben sie ein Leben lang.
p.s. Schaut euch die finnische Kampagne #kutsumua ("nenne mich") an (hier). Auf Twitter seht ihr unter dem Hashtag ganz viele Beispiele, wo Personen auf einen Zettel notieren, wie sie genannt wurden (im negativen Sinn) und wie sie genannt werden wollen (positive Begriffe). Eine tolle Idee eines Schülers für mehr Toleranz und weniger Mobbing. Da könnte sich mancher "Erwachsener" eine Scheibe von abschneiden ;) Der finnische Präsident ist Schirmherr der Kampagne. Daumen hoch.
Als Eltern begleitet man sein Kind ja dann eine Weile bei seinem Weg, vor allem wenn dieser lang ist und das Kind Hauptstrassen überqueren muss und dergleichen. Natürlich gibt es auch mutigere Kinder und mutigere Eltern. Da läuft das eine Kind dann schon früher alleine los, ein anderes möchte länger begleitet werden und wieder andere werden wegen dem Wunsch der Eltern länger begleitet. Wenn man dann als Erwachsener in einem Kindergarten steht, geschieht etwas Seltsames. Man steht in den Räumlichkeiten, es riecht noch immer so wie es früher im eigenen Kindergarten roch, man sieht diese winzig kleinen Stühle, auf denen die Kinder sitzen, und die vielen vielen Jahre, die vergangen sind, fühlen sich plötzlich gar nicht mehr nach viel an. Erinnerungen kommen hoch.
Beobachtet man Kindergartenkinder dabei, wie sie untereinander Kontakte knüpfen und miteinander spielen und streiten, erkennt man rasch, dass sich die Muster über die Jahre wohl kaum verändern. Es werden immer Kinder ausgegrenzt, bevorzugt, gemocht. Einige Kinder sind sofort beliebt bei allen, andere sind eher schüchtern und finden ihren Platz ganz gemächlich in einer Gemeinschaft. Es gibt die Lauten. Es gibt die Leisen. Es gibt die Auffälligen und die, die beinahe in der Masse untergehen. Es gibt die Anführer und die, die ihnen folgen. Also eigentlich genau das, was man im Arbeitsleben und auch sonst im Alltag immer wieder beobachten darf. Sind wir eigentlich "wirklich" erwachsen, nur weil eine bestimmte Zahl in unserem Pass steht, oder sind wir im Kern eigentlich dasselbe Kind, welches wir schon im Kindergartenalter waren? Nur etwas grösser, schwerer und mit mehr Fähigkeiten ausgestattet, die man sich über die Jahre angeeignet hat?
Jeder von uns sass schon in Besprechungen oder Sitzungen. Einige davon sind sehr effizient, andere weniger. Eines haben Sitzungstermine aber alle gemein: Sehr oft lassen sich genau dieselben Diskussionen beobachten, wie im Kindergarten. Es geht sehr oft darum, dass
a.) Jemand etwas haben will, das jemand anders hat
b.) Jemand mit einem guten Vorschlag eine Mehrheit auf seine Seite ziehen möchte
c.) Jemand konstruktiv ein Problem lösen will
d.) Sich jemand stur stellt und einfach nur nach Hause will
Die Rollen sind meist auch klar verteilt, wie auf dem Kindergarten- oder Schulhausplatz: Der Anführer (oder mehrere, das führt dann oft zu den Punkten a. und b.), die Ja-Sager, die allen gefallen wollen, die Gemässigt-Unauffälligen, die Streitschlichter und die Aussenseiter. Ich frage mich oft, ob man den Kindergärtenkindern von heute bereits ansieht, welche Rolle sie dann auch später im Leben bekleiden werden. Aber ich denke irgendwie schon, dass es möglich ist, sich z.B. vom Aussenseiter zu einem Anführer zu wurschteln, handkehrum wird ein Ja-Sager wohl nie jemand werden, der eine Meinung energisch und kompetent zu vertreten weiss.
Wir zeigen dieses Rollenverhalten ja nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch im sozialen Bereich. Wenn es darum geht, Freunde zu finden etwa. Letzthin erzählten mir ein Vater und eine Mutter unabhängig voneinander, wie schwer es ihnen gefallen sei, ihr Kind dabei zu beobachten, Freunde zu finden. Sich bei Reibereien auf dem Hof zu behaupten. Verlässliche Freundschaftsbeziehungen aufzubauen, die wirklich auch halten (und nicht nur darauf aufbauen, dass ein Kind mit der Playstation spielen kommen will, die es zu Hause nicht haben darf). Es gibt jedem Elternherz einen Stich, wenn ein Kind abgewiesen wird, wenn ihm etwas gemeines gesagt wird oder wiederfährt. Auf der anderen Seite freut man sich gewaltig, wenn sich Freundschaften ergeben, die wirklich stabil scheinen.
Man sagt immer, Kinder können so gemein sein. Erwachsene können genau so gemein sein, vielleicht noch viel schlimmer. Aber sie haben gelernt, ihre Aussagen subtiler zu formulieren und schöner zu verpacken - aber weh tun können diese noch genau so. Ich wünschte mir, dass bereits den jungen Kindern bei den ersten sozialen Kontakten - wie im Kindergarten - klar wäre, dass sie es doch eigentlich ziemlich schön miteinander haben könnten. Man muss nicht jeden mögen. Aber das kann man einander auch zivilisiert mitteilen. Hätten Eltern Zauberkräfte, würden sich die meisten wohl wünschen, ihren Kindern blieben soziale Enttäuschungen mit Freunden möglichst erspart. Leider geht das nicht, da müssen sie durch.
Aber wenn wir "Erwachsenen" sie bei diesen Erfahrungen begleiten - und nicht nur physisch auf dem Schulweg - dann werden sie wohl lernen, diese Situationen auch prima selbst zu meistern, und nicht alles so schwer nehmen.
Freunde kommen, Freunde gehen. Aber manchmal bleiben sie ein Leben lang.
p.s. Schaut euch die finnische Kampagne #kutsumua ("nenne mich") an (hier). Auf Twitter seht ihr unter dem Hashtag ganz viele Beispiele, wo Personen auf einen Zettel notieren, wie sie genannt wurden (im negativen Sinn) und wie sie genannt werden wollen (positive Begriffe). Eine tolle Idee eines Schülers für mehr Toleranz und weniger Mobbing. Da könnte sich mancher "Erwachsener" eine Scheibe von abschneiden ;) Der finnische Präsident ist Schirmherr der Kampagne. Daumen hoch.
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